Kurzstudie: Mobilisierung von Erzeugungskapazitäten auf dem deutschen Strommarkt

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Die Energiekrise zwingt Deutschland und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, aktuelle energiepolitische Entscheidungen neu zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen. Zunächst rückt die Notwendigkeit, die Erneuerbaren Energien schnell und ambitioniert auszubauen noch stärker in den Fokus. Darüber hinaus gibt es einerseits Überlegungen, Kohlekraftwerke aus der Reserve oder der Betriebsbereitschaft zu reaktivieren. Andererseits werden Entscheidungen hinterfragt, Kohle- und Kernkraftwerke in den kommenden Jahren stillzulegen. Diese Kurzstudie analysiert die Auswirkungen dieser Handlungsoptionen in verschiedenen Szenarien für die Jahre 2024 und 2027, um die kurzfristigen Herausforderungen sowie die mittelfristigen Perspektiven zu beleuchten. Für beide Jahre wird die Situation einer Entspannung der Energiekrise mit einer weiterhin angespannten Lage am europäischen Energiemarkt verglichen.

In den Ergebnissen zeigt sich, dass die externen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene in Summe einen deutlich größeren Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise haben als die untersuchten nationalen Maßnahmen in Deutschland. Trotzdem könnte durch mehr Erzeugungskapazität in Deutschland ein Preiseffekt erzielt werden. Für eine Einschätzung des zusätzlichen Nutzens einer Verlängerung von Kohle- und Kernkraftwerken müssen dabei zwangsläufig mehr Dimensionen betrachten werden als z.B. die Entwicklung des Gaspreises. Dabei können einige Rahmenbedingungen in Kooperation mit den Nachbarländern direkt beeinflusst werden (Entwicklung der Stromnachfrage, Ausbaupfad Erneuerbare), wohingegen andere Faktoren abhängig von Unwägbarkeiten sind (französische Kernkraft, Entwicklung des Gaspreises, zukünftige Wetterjahre).

Für das Jahr 2024 gibt es im pessimistischen Szenario einen Fall, für den eine temporäre Verlängerung der Kohle- und Kernkraftwerke für einen sehr begrenzten Zeitraum sinnvoll erscheint, um neben den Preiseffekten eine Reduzierung der Stromerzeugung aus Erdgas zu erreichen. Insgesamt bleibt zu sagen, dass eine stärkere Forcierung von Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Nachfragereduzierung und zum Ausbau von Erneuerbaren in Koordination mit den Nachbarländern stärker forciert werden sollten. Darin besteht das größte Potential sich vom pessimistischen Szenario zu entfernen und das Risiko von regional schlechten Wetterjahren für Erneuerbare durch eine noch stärkere Integration des Stromsystems zu reduzieren. Im Jahr 2027 befindet sich das europäische Stromsystem bei optimistischen Annahmen über EE‑Zubau, Gaspreise und Verfügbarkeiten mitten in der Transformation in ein kohlenstoffarmes Stromsystem. Im Falle des pessimistischen Szenarios folgt es hingegen einem langsameren Transformationspfad, wahrscheinlich mit einem Übergang von Kohle direkt auf Erneuerbare in den Folgejahren. In beiden Fällen gibt es wenig Grund die Laufzeit von bestehenden konventionellen Kohle- und Kernkraftwerken zu verlängern. Im Gegenteil könnten zusätzliche und vergleichsweise inflexible Kraftwerkskapazitäten zu höheren Kosten führen, da diese die Integration der Erneuerbaren behindern und Anreize für Flexibilität und Sektorkopplung reduzieren.

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Autoren: Jonas Egerer, Veronika Grimm, Lukas M. Lang, Ulrike Pfefferer, Christian Sölch